Inspiration

Service Design Sprint Barrierefreiheit

Im Zuge der Lehrveranstaltung "Service Design" im Master-Studium Entrepreneurship & Tourismus am MCI Tourismus wurde dieses Jahr der Schwerpunkt auf Barrierefreiheit am Berg gelegt und hierfür mit dem Österreichischen Alpenverein zusammengearbeitet.
Birgit Bosio & Janosch Untersteiner, MCI Tourismus, Markus Hormeß, work.play.experience

Barrierefreiheit am Berg?

Barrierefreiheit ist eines der zentralen Handlungsfelder in der nachhaltigen Tourismusentwicklung. Während sich die Diskussionen meist auf mobile Beeinträchtigungen und allgemeine Infrastrukturmaßnahmen beschränken, war die Zielsetzung dieses Service Design Sprints, die volle Breite des Themas Barrierefreiheit aus ganzheitlicher Sicht aufzuzeigen und Lösungsansätze für barrierefreie Erlebnisse am Berg zu entwickeln. Die Challenge die daraus abgeleitet wurde lautete daher: "Wie können wir Naturerlebnisse in den Bergen für Menschen mit Beeinträchtigungen (besser) zugänglich machen?

Gestartet wurde der dreitägige Workshop mit einer allgemeinen Einführung in das Thema Barrierefreiheit im Tourismus durch Joachim Nigg (Universität Innsbruck). Anschließend führte Solveig Meier vom Österreichischen Alpenverein als Projektpartnerin in das Themenfeld und bestehende Projekte ein. Im Rahmen einer breiten gemeinsamen Diskussion wurde im Plenum dann bestehendes Wissen zum Thema Barrierefreiheit im Tourismus in Form eines Group Puzzles abgefragt. Dabei wurden drei konkrete Fragestellungen erörtert: 

  •  Personas - wer ist die Zielgruppe und welche Bedürfnisse gibt es?
  • Journey maps - wie unterscheidet sich die Reise des Gastes mit oder ohne Einschränkungen?
  • Stakeholder map - welche Bezugsgruppen müssen wir bei diesem Thema bedenken und einbeziehen?

Im Anschluss hatten die Studierenden Zeit, sich auf Experteninterviews vorzubereiten. Zur Verfügung standen neben Solveig Meier und Joachim Nigg auch Christian Haselgruber von der Sektion Innsbruck als Inklusionsbeauftragter, Bernhard Gruber als Sachverständiger für barrierefreies Planen und Bauen und Obmann des Vereins „Die Barrierefreien", Tobias Schmidhuber als Kommunikatinsexperte und Schwimmlehrer für Behinderte an der USI, sowie Janine Prokesch als Behindertenbeauftrage des MCI. Durch die Interviews mit den unterschiedlichen Experten konnten die Studierenden einen tieferen Einblick in das Themenfeld Barrierefreiheit erhalten und spezifische Fragen klären. 

Die gesammelten Informationen aus Projektbriefing und Experteninterviews wurden anschließend mit aktuellen Erkenntnissen aus zuvor recherchierten und ausgewählten Fachartikeln abgeglichen und dienten als Grundlage für ein KI-basiertes Themenclustering. Daraus ergaben sich folgende neun Problem- und Handlungsfelder: (1) Bewusstsein und Sichtbarkeit, (2) Bildung und Wissenslücken, (3) politische und finanzielle Hindernisse, (4) Infrastruktur und physischer Zugang, (5) Arbeitskräfte und Ausbildung, Vorurteile, (6) Stereotypen und Akzeptanz, (7) Kommunikation und Netzwerk, (8) Emotionale und zwischenmenschliche Faktoren, sowie (9) digitale und technologische Barrierefreiheit. Die einzelnen Themenfelder wurden auf unterschiedliche Studierendengruppen aufgeteilt. Im Nachgang mussten die Studierenden noch weitere Interviews mit betroffenen Personen führen. 

Am zweiten Workshop-Tag wurden alle bisherigen Informationen auf einer Research Wall zusammengefasst, strukturiert und verknüpft. Aus dieser kondensierten Wissensbasis konnten erste Erkenntnisse generiert und in einem weiteren Schritt je fünf Schlüsselerkenntnisse (key insights) pro Studierendengruppe formuliert werden. In einem letzten Verdichtungsschritt wurden daraus drei thematisch unterschiedliche “How Might We” Fragen (konkret formulierte Forschungsfragen) ausgearbeitet und in der Gruppe priorisiert. In Service Design typischer Manier wurde viel Zeit dieser Lehrveranstaltung im Problemraum verbracht, um die „richtigen“ Probleme zu identifizieren und zu verstehen. Erst wenn die Problemfelder definiert sind, kann auf den Lösungsraum übergegangen werden und darauf aufbauend sinnvolle und nützliche Lösungsansätze entwickelt werden. 

Endlich im Lösungsraum angekommen, wurde im Rahmen der Ideation-Phase mittels der Crazy Eight Methode erstmals zahlreiche Lösungsideen für die identifizierten Probleme erdacht und anhand eines Idea Prortfolios priorisiert. Nach dieser verhältnismäßig kurzen Ideation-Phase wurden erste Lösungsvorschläge in Form von Prototypen ausgearbeitet und visualisiert. Analog und KI-gestützt wurden im Rahmen der Entwicklungsphase unterschiedliche Prototypen in Form von ersten Werbeplakaten (Service Ads) und Konzeptskizzen (Concept Sketches) entwickelt. Diese Prototypen dienen als erste visualisierte und haptische Grundlage, um die entwickelten Ideen zu testen und iterativ weiterzuentwickeln. Im Zuge eins Gallery Walks stellten sich die Studierenden ihre Werbeplakate und Konzeptskizzen gegenseitig vor und erhielten erstmals wichtiges Feedback für die Weiterentwicklung und Verfeinerung der Lösungsideen. 

Am dritten Tag wurden aufbauend auf den Werbeplakaten und Konzeptskizzen physische Prototypen entwickelt (Desktop Walkthroug, Lego Serious Play, Paper/Cardboard, o.ä.) welche in einer letzten Testrunde den Expert:innen vom ersten Tag sowie Oliver Ott vom Projekt INNklusion der Universität Innsbruck, Helga Mair von der PHT und Laura Wittkopp, TYSTO Verantwortliche des MCI Tourismus einer genauen und kritischen Prüfung standhalten mussten. Nach Einarbeitung der letzten Feedbacks wurden die final entwickelten Lösungsvorschläge anhand der kreierten Prototypen dem Projektpartner und einer kritischen Jury präsentiert. Zuerst durften sich alle Studierenden untereinander bewerten, Feedback geben und ihre Favoriten unter allen Ideen wählen. Den Studierendenpreis holte sich das Projekt mit dem Titel “Summit in Silence”. Hierbei ging es darum, ein Angebot für Menschen am Berg mit kognitiven Behinderungen zu schaffen, von denen aber auch eine Vielzahl an anderen Menschen ebenso profitieren können. Aus Sicht der Jury unter der Leitung von Solveig Mair, zählten zu den besten Ideen das Projekt „Inclusi“, ein inklusives Ausbildungs- und Zertifizierungsprogramm für Tourismusbetriebe sowie das Projekt „Hit the rope, champ!“, eine Idee, bei der blinde Menschen selbständig die Berge erkunden können. Die besten Ideen wurden vom Alpenverein mit tollen Anerkennungspreisen gewürdigt.

Solveig Meier, Alpenverein: “Die Studierenden haben unsere Fragestellung mit viel Kreativität, frischem Blick und großem Einfühlungsvermögen bearbeitet. Durch die Einbindung von Menschen mit Behinderung als Expert*innen und die Nutzung eines breiten Netzwerks wurde die Lehrveranstaltung sehr lebendig und praxisnah gestaltet – auch wenn nicht alle Ideen direkt umsetzbar waren, haben sie wichtige Denkanstöße geliefert und neue Perspektiven eröffnet, die uns als Partner-Organisation weiterbringen.”

Aus dem Feedback von Studierenden zeigte sich, dass das Thema bei einigen bisher noch nicht so stark in den Köpfen verankert war und andererseits, dass es - ganz nach dem Service Design Gedanken - nicht immer gleich die perfekten Lösungen braucht:

“Participating in the Service Design course, which focused on improving the accessibility of mountain attractions for individuals with impairments, has been both eye-opening and deeply thought-provoking.”

“The focus on inclusive tourism, particularly making mountain environments more accessible for people with impairments, introduced me to a topic I had not deeply engaged with before — and one that now feels incredibly relevant and important.” 

"One major learning was that initial ideas don’t have to be perfect – in fact, starting with "shitty drafts" is better than not starting at all."

Sei bereit für alles, was die Zukunft im Tourismus bringt.