F.act: Wie stark nehmen Almen in Tirol vs. Österreich ab (Anzahl und Fläche) und welche Gründe gibt es hierfür?
Unsere beliebte Kulturlandschaft gibt es nur, weil die Flächen bewirtschaftet werden. Wäre das nicht der Fall, hätten wir statt der offenen Almflächen vor allem eines: Wald. Doch wir verlieren Almflächen, das sehen wir ganz eindeutig. In Tirol ist der Rückgang der Almen in den letzten 20 Jahren mit rund sechs Prozent zum Glück noch relativ gering. Österreichweit sieht die Sache schon anders aus: Hier sind die Almen über die Jahre um etwa 13 Prozent weniger geworden. Die Almwirtschaft ist enorm aufwändig, die Arbeit ist beschwerlich, meist ist die Bewirtschaftung maschinell nicht möglich, sondern nur mithilfe von Weidetieren. Es fehlen die Arbeitskräfte auf den Höfen und oft auch der finanzielle Anreiz. Auf Almen werden hochwertigste Lebensmittel erzeugt, am Markt sind diese aber kaum konkurrenzfähig. Ständig wird darüber debattiert, dass Lebensmittel billiger werden müssen – aber wie man an unserem Konsumverhalten sieht, haben sie eh kaum noch einen Wert für uns.
F.act: Wieso sind Almen für den Tourismus so wichtig?
Hannes Royer: Wo Almflächen verschwinden und unsere Kulturlandschaft verbuscht, wird auch der Tourismus keine Zukunft mehr haben. Denn der Hauptgrund für Urlaub in Österreich ist die Landschaft. Vor allem unsere Almen ziehen jedes Jahr zahlreiche Touristinnen und Touristen an, sowohl aus dem Ausland als auch aus Österreich selbst. Man kann also sagen, dass die Almen das Juwel des österreichischen Tourismus sind. Sie spielen nicht nur eine unglaublich wichtige Rolle für den Sommer-, sondern auch für den Wintertourismus. Denn ohne die Bewirtschaftung dieser Flächen gäbe es auch keine Skipisten und damit fiele der Hauptgrund für Winterurlaub in Österreich weg.
F.act: Und umgekehrt – braucht die Landwirtschaft den Tourismus?
Hannes Royer: Ja, definitiv. Pro Tag sperren in Österreich neun Bauernhöfe zu. Im Alpenraum schreitet diese Entwicklung bisher etwas langsamer voran, denn dort ermöglicht der Tourismus in direkter oder indirekter Form ein Zusatzeinkommen. Dadurch ist die Landwirtschaft in diesen Regionen bisher noch relativ gut erhalten. Landwirtschaft und Tourismus brauchen sich gegenseitig – geht das eine, geht auch das andere. Diese eng verknüpfte Symbiose müssen wir unbedingt bewahren.
F.act: Wie kann der Tourismus die Landwirtschaft bei der Erhaltung der Almen unterstützen?
Hannes Royer: Wir brauchen mehr Österreich am Teller. Es braucht ein klares Bekenntnis der Gastronomie zu heimischen Lebensmitteln. Bis 2023 zählten beispielsweise Qualität, Nachhaltigkeit und Herkunft zu den Hauptkriterien bei der Lebensmittelbeschaffung im Großhandel. Das hat sich aber massiv verändert. Heute stammt mehr als die Hälfte des Fleisches in der Gastronomie nicht aus Österreich und wir sehen einen starken Trend hin zu billigsten Produkten. Deshalb fordern wir seit Jahren eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie. Damit jede Konsumentin und jeder Konsument selbst entscheiden kann, was sie oder er wirklich auf ihrem Teller haben möchten. Glücklicherweise gibt es jetzt schon einige Betriebe, die die Herkunft ihrer Zutaten freiwillig offenlegen – hier werden auch fast ausschließlich heimische Lebensmittel verwendet. Mit mehr Österreich am Teller halten wir die Wertschöpfung im Land und unterstützen unsere Bäuerinnen und Bauern, weiterhin Lebensmittel zu produzieren und unsere Kulturlandschaft zu erhalten.




