F.acT: Warum ist es wichtig, Besucherlenkung in ländlichen touristischen Regionen zu betreiben?
Martina Niederberger: In ländlichen Naturräumen, insbesondere im Alpenraum, führen steigende Besucher:innenzahlen zunehmend zu Crowding-Effekten und Konflikten zwischen Freizeitnutzung, Naturschutz und regionaler Bevölkerung. Besucher:innenmanagement ist daher notwendig, um touristische Tragfähigkeit zu sichern, sensible Natur- und Kulturräume zu schützen und gleichzeitig attraktive Besuchserlebnisse zu gewährleisten. Ohne gezielte Steuerung drohen Übernutzung, Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung und langfristige Beeinträchtigungen der touristischen Wertschöpfung.
F.acT: Was sind die Kernergebnisse Ihrer Arbeit?
Martina Niederberger: Die Arbeit zeigt, dass erfolgreiches digitales Besucher:innenmanagement ein Zusammenspiel auf allen Ebenen – Mikro, Meso und Makro – erfordert. Dabei übernehmen die Tourismusverbände auf regionaler Ebene eine zentrale Rolle, sind jedoch oft institutionell schwach aufgestellt. Digitale Maßnahmen kommen bislang meist reaktiv zum Einsatz und entfalten ihre Wirkung nur in Kombination mit analogen Strategien.
Zudem entscheidend für den langfristigen Erfolg ist die soziale Tragfähigkeit: Nur Maßnahmen, die von Gesellschaft und Bevölkerung als legitim akzeptiert werden, können nachhaltig wirken. Umsetzungshürden ergeben sich zudem durch heterogene Zielgruppen, unklare Zuständigkeiten, fehlende Ressourcen und mangelnde gemeinsame Zielbilder, die eine koordinierte Steuerung erschweren.
F.acT: Welche Handlungsempfehlungen können hieraus für touristische Destinationen und Unternehmen abgeleitet werden?
Martina Niederberger: Da Besucher:innenmanagement ein Zusammenspiel verschiedener Akteursebenen erfordert, lassen sich Handlungsempfehlungen sowohl für die regionale, operative Ebene als auch für die überregionale, strategische Ebene ableiten:
- Auf regionaler Ebene sollten Gemeinden und Tourismusverbände ihre Zusammenarbeit intensivieren und klare Zuständigkeiten sowie Trägerschaften kommunizieren. Ein besonderer Fokus sollte auf die Gästekommunikation bereits vor der Anreise gelegt werden, um Besucher:innenströme besser zu lenken. Dafür sind verlässliche Daten zu Tagesgästen notwendig, die gezielte Strategien ermöglichen. Analoge und digitale Maßnahmen sollten kombiniert werden, wobei der Ansatz „Digital First“ im Vordergrund steht. Langfristig sind Investitionen in Know-how und Personal erforderlich. Zudem sollten effektive Informationsformate zur Anzeige von Überfüllung entwickelt und moderne Technologien wie KI und Big Data zur Prognose und zum Echtzeit-Monitoring eingesetzt werden. Ergänzend ist die Festlegung wissenschaftlich fundierter Tragfähigkeitsgrenzen entscheidend, um die Belastung der Destinationen zu steuern.
- Auf überregionaler Ebene gilt es, klare Führungsstrukturen zu etablieren und verlässliche Rahmenbedingungen einschließlich finanzieller Unterstützung zu schaffen. Einheitliche Standards für die Erhebung, Nutzung und den Austausch von Daten sind wesentlich, um eine abgestimmte, nachhaltige und effiziente Steuerung des Tourismus sicherzustellen.
F.acT: Welche Besonderheiten zeigen sich in Ihrer Studie?
Martina Niederberger: Die Studie weist mehrere Besonderheiten auf. Sie fokussiert sich auf das südliche Oberösterreich, eine beliebte Region mit stark frequentierten Natur-Hotspots im Sommer, in der der Tagestourismus eine zentrale Bedeutung hat. Im Mittelpunkt steht die Stakeholderperspektive des Managements, insbesondere aus den Bereichen Tourismus, Politik, Naturschutz und alpiner Vereine. Theoretisch basiert die Untersuchung auf der Kombination der Theorie des geplanten Verhaltens mit dem Konzept der touristischen Tragfähigkeit, um sowohl individuelle als auch strukturelle Einflussfaktoren auf Steuerungsprozesse zu erfassen. Darüber hinaus deckt die Studie institutionelle Schwächen der DMOs auf und betont die Bedeutung der sozialen Dimension bei der Entwicklung und Umsetzung von Steuerungsmaßnahmen.

