Forschung

Wahrnehmung von Entgelt im Tourismus

eine Framing-Analyse
Die Masterarbeit von Sophia Schuler zeigt, wie sich die Wahrnehmung von Entgelt im Tourismus im Laufe der Berufsbiografie dynamisch verändert und welche Ansatzpunkte sich daraus für ein gezieltes HR-Management ergeben.
Abschlussarbeit: Sophia Schuler (2025)

Welcher Fragestellung haben Sie sich im Rahmen Ihrer Masterarbeit angenommen und worin liegt die Relevanz dieser Forschung?

Sophia Schuler: Die zentrale Forschungsfrage meiner Masterarbeit lautet „Wie konstruiert sich die Wahrnehmung des Entgelts in der Tourismusbranche im zeitlichen Verlauf?“.

Die Relevanz ergab sich daraus, dass Entgelt bislang überwiegend als Teilaspekt größerer Studien – etwa in Verbindung mit Motivation, Zufriedenheit oder Fluktuation – untersucht wurde und dies zumeist mit quantitativen Ansätzen. Qualitative Zugänge sowie die individuelle Perspektive von Beschäftigten waren bisher kaum berücksichtigt worden. Meine Arbeit leistet daher einen Beitrag, indem sie die subjektive Bedeutungsbildung in Bezug auf Entgelt qualitativ in den Mittelpunkt stellt.

Was hat Sie dazu bewegt, die Framing Theorie zu verwenden, um Einblicke in die Zufriedenheit von Arbeitskräften im Tourismus mit deren Bezahlung zu erlangen?

Sophia Schuler: Die Framing-Theorie bietet eine geeignete Grundlage, um Prozesse der Bedeutungsbildung darzustellen – konkret, wie Personen Bedeutungen aktiv konstruierten, stabilisierten oder umdeuteten. Da Entgelt ein objektiver Faktor ist, aber stark subjektiv interpretiert wird, erlaubt der Framing-Ansatz, Veränderungen in der Wahrnehmung über den Zeitverlauf hinweg sichtbar zu machen. In meiner Arbeit orientiere ich mich speziell am Ansatz von Gray et al. (2015), der anhand der Grundprozesse Laminierung und Amplifikation vier idealtypische Muster des Bedeutungswandels beschreibt. Ergänzend werden Mechanismen aufgezeigt, die erklären, wie es zu einem solchen Bedeutungswandel kommt und wodurch diese Muster ausgelöst werden.

Wie sind Sie in Ihrer Forschungsarbeit vorgegangen?

Sophia Schuler: Ich habe einen qualitativen Forschungsansatz mit Fokus auf die Mikroebene gewählt. Im April 2025 führte ich 14 halbstrukturierte Interviews mit Tourismusmitarbeitenden in Tirol durch, darunter Rezeptionist:innen, Servicekräfte und Frühstückshilfen. Die Auswertung erfolgte mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring, unterstützt durch die Software MAXQDA, wobei ein iterativer Prozess verfolgt wurde. Zunächst wurde das Interviewmaterial offen und induktiv codiert. Anschließend wurden inhaltlich ähnliche Codes zu Kategorien gebündelt. Vertiefend legte ich den Fokus schlussendlich auf eine dieser Kategorien. Innerhalb dieser Kategorie zeigte sich eine prozesshafte Struktur. Diese gliederte sich in vier Prozessphasen, die mithilfe der Temporal Bracketing Strategy nach Langley (1999) systematisiert wurden.

Was sind die Kernergebnisse Ihrer Arbeit und welche Empfehlungen können Sie daraus für Tourismusbetriebe ableiten?

Die Ergebnisse meiner Arbeit zeigten vier Prozessphasen:

  • Phase 1 - Diffuse Entgeltvorstellung vor Brancheneinstieg: geprägt von vagen Erwartungen, fehlender Erfahrung und der Übernahme gesellschaftlicher Bilder über „schlechte Bezahlung“ im Tourismus.
  • Phase 2 - Erste Entgeltdeutung nach Brancheneinstieg: der erste Lohn wird emotional positiv bewertet, als Glücksgefühl und Symbol für Unabhängigkeit, was an der damaligen Lebenssituation mit geringen Fixkosten und ohne familiäre Verpflichtungen liegt.
  • Phase 3 - Neubewertung nach geraumer Tätigkeit in der Branche: das Entgelt wird zunehmend kritisch gesehen und nun überwiegend als existenzsichernde Grundlage verstanden, insbesondere im Zusammenhang mit steigenden Fixkosten und wachsenden familiären Verpflichtungen.
  • Phase 4 - Ambivalente Deutung hinsichtlich Zukunftsperspektiven: in dieser Phase koexistierten widersprüchliche Bedeutungen, dass das Einkommen noch ausreiche, gleichzeitig für zukünftige Lebensziele wie Familiengründung oder Wohneigentum nicht tragfähig sein könnte.

Aus den Ergebnissen ergeben sich mehrere Empfehlungen für Tourismusbetriebe. Das HR-Management sollte Brüche beziehungsweise Bedeutungsänderungen in der Wahrnehmung von Entgelt frühzeitig erkennen und gezielt begleiten, da der Framing-Ansatz genau diese Momente der Bedeutungsverschiebung sichtbar macht. Wichtig sind regelmäßige Entwicklungsgespräche und eine offene Kommunikation über finanzielle Perspektiven. Darüber hinaus empfiehlt es sich, individuelle Vergütungsmodelle zu entwickeln, die unterschiedliche biografische Lebenssituationen berücksichtigen. Besonders junge Mitarbeitende, die sich oft in Umbruchsphasen wie einem Umzug oder einer geplanten Familiengründung befinden, sollten dabei aktiv unterstützt werden – etwa durch Zuschüsse für Wohnen, Mobilität, Verpflegung oder Kinderbetreuung.

 

Sophia Schuler kommt aus der Gemeinde Zams in Tirol und hat nach dem Abschluss des Bachelorstudiums “Wirtschaft, Gesundheits- & Sporttourismus” an der Universität Innsbruck und UMIT Hall am Standort Landeck erste Praxiserfahrungen im Berufsleben gesammelt. Nach einem Jahr in der Berufswelt entschied sie sich für das Masterstudium “Nachhaltige Regional- & Destinationsentwicklung” welches ebenso am Universitätsstandort Landeck angeboten wird. Im September 2025 konnte sie dieses erfolgreich abschließen. 

Masterarbeit Betreuung: Dr. Andreas Mölk

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