Forschung

Gastfreundschaft im Wandel

Eine qualitative Untersuchung der Tourismusakzeptanz im Bezirk Landeck
Anhand von Interviews mit Bewohner:innen des Bezirkes Landeck wurden Einstellungen, Bedürfnisse und Erwartungen von Einheimischen zum Tourismus untersucht.
Abschlussarbeit: Verena Ötzbrugger (2025)

F.acT:  Worin liegt die Relevanz Ihrer Arbeit und was ist die zentrale Fragestellung?

Verena Ötzbrugger: Die Tourismusindustrie zählt seit Jahren zu den am stärksten wachsenden Wirtschaftszweigen weltweit. Dieses kontinuierliche Wachstum führt jedoch dazu, dass immer mehr Destinationen an ihre Belastungsgrenzen stoßen. Leidtragende dieser Entwicklung ist vor allem die lokale Bevölkerung. Anti-Tourismus-Initiativen und Protestbewegungen verdeutlichen, dass das Spannungsverhältnis zwischen Einheimischen und Tourist:innen zunimmt und das Phänomen des Overtourism nicht länger nur ein urbanes Problem ist. Daher stellt sich die Frage: „Wie nehmen Einheimische in ruralen Destinationen den (Über-)Tourismus wahr?“. Ziel meiner Abschlussarbeit war es daher, die Einstellungen, Bedürfnisse und Erwartungen der lokalen Bevölkerung sichtbar zu machen und damit einen Beitrag zu einer differenzierten Betrachtung der Tourismusakzeptanz in alpinen Regionen zu leisten.

F.acT:  Wie sind Sie methodisch vorgegangen um Ihre Forschungsfrage zu beantworten?

Verena Ötzbrugger: Von Ende April bis Anfang Mai wurden 18 semi-strukturierte Interviews mit im Bezirk Landeck wohnhaften Personen durchgeführt. Die Stichprobe berücksichtigte unterschiedliche Wohnorte und Lebensrealitäten innerhalb des Bezirkes Landeck, um eine möglichst breite Perspektivenvielfalt zu erfassen. Die Auswertung gewonnenen Informationen erfolgte anhand einer thematischen Inhaltsanalyse. Dieses Verfahren erlaubt es, Muster in den Aussagen der Befragten herauszuarbeiten und systematisch Kategorien zu bilden. Insgesamt konnten elf zentrale Kategorien identifiziert werden, aus denen positive und negative Einflussfaktoren auf die Tourismusakzeptanz abgeleitet wurden.

F.acT: Welche Handlungsempfehlungen können hieraus für ländliche Regionen abgeleitet werden?

Verena Ötzbrugger: Die Handlungsempfehlungen können im Wesentlichen wie folgt eingeordnet werden:

  • Partizipation der lokalen Bevölkerung: Damit die touristische Weiterentwicklung im Einklang mit den Wünschen, Sorgen und Erwartungen der Einheimischen passiert, müssen partizipative Beteiligungsformate geschaffen werden, die alle betroffenen Stakeholder inkludieren und einen Raum zur Diskussion ermöglichen.
  • Wissenstransfer und Aufklärungsarbeit: Es bedarf gezielte Bewusstseinsbildung, indem Aufklärungsarbeit von Seiten des Destinationsmanagement geleistet wird, um die Einheimischen über die Intentionen der touristischen Weiterentwicklung zu informieren.
  • Qualität statt Quantität: Der Fokus vom permanenten Sterben nach mehr Tourist:innen auf eine Verbesserung der Qualität verlagert werden. Regionen sollen nicht mehr Gäste anziehen, sondern die Qualität der bereits vorhandenen Angebote und Dienstleistungen verbessern.
  • Saisonale Ausweitung: Es empfiehlt sich die saisonale Ausweitung des touristischen Angebots über das ganze Jahr, da sich die Entzerrung der Besucherströme positiv auf das Alltagsleben der Einheimischen, das Urlaubserlebnis der Gäste sowie Natur und Umwelt auswirkt.
  • Nachhaltigkeit im Fokus: Da sich der Erfolg ländlicher Destinationen stark auf seine unberührte Natur zurückfuhren lässt, ist es maßgeblich, dass nachhaltige Strategien implementiert werden.Zukünftige Projekte sollten daher hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Natur und Umwelt kritisch bewertet werden.

F.acT: Welche Besonderheiten zeigen sich in Ihrer Studie?

Verena Ötzbrugger: Trotz der grundsätzlich unterstützenden Haltung wurde deutlich, dass diese bei zunehmender Belastung in Zukunft zu kippen droht. Der alpine Tourismus ist an einem kritischen Punkt angelangt, wo ein weiteres quantitatives Wachstum während der Hauptsaison spürbare Einbußen für die lokale Bevölkerung bedeutet. Wie die negativen Einflussfaktoren aufzeigen, äußern sich die wahrgenommenen Nachteile zunehmend als wirtschaftliche, räumliche und ökologische Einschränkungen. Der Tourismus wird nicht mehr nur als Treiber für den regionalen Wohlstand gesehen, sondern als Ursache für Einschränkungen und Probleme im Alltag. Dieses Spannungsverhältnis birgt zunehmend das Risiko, dass die Tourismusindustrie auch in ruralen Destinationen die Unterstützung der Bevölkerung verliert.

Verena Ötzbrugger

Verena Ötzbrugger hat 2025 ihr Diplomstudium der Internationalen Wirtschaftswissenschaften an der Universität Innsbruck erfolgreich abgeschlossen. Begeistert von fremden Kulturen, Sprachen und dem Reisen sammelte sie bereits während ihres Studiums wertvolle Auslandserfahrungen in Barcelona und New York. In Barcelona erlebte die gebürtige Landeckerin hautnah, welche gravierenden Auswirkungen Overtourism und eine damit verbundene sinkende Tourismusakzeptanz haben können. Aufbauend auf diesen Eindrücken verfasste Verena ihre Diplomarbeit mit dem Titel „Gastfreundschaft im Wandel“ und widmete sich darin den Entwicklungen der Tourismusakzeptanz im Bezirk Landeck. 

Ihre Offenheit für neue Perspektiven prägt ihren Blick auf die Herausforderungen und Chancen ihrer tourismusintensiven Heimat.

Betreuung der Diplomarbeit: ao. Univ.-Prof. Dr. Birgit Pikkemaat

Sei bereit für alles, was die Zukunft im Tourismus bringt.